Affektvolle Paraphrenie

"Aufteilung der endogenen Psychosen und ihre differenzierte Atiologie"
Karl Leonhard
Georg Thieme Verlag, 8. Auflage, 2003
p. 86-99

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Zusammenfassung

Die affektvolle Paraphrenie verläuft remittierend oder schleichend, wobei sie zunächst vorwiegend ein Beziehungssyndrom bietet. Anderseits finden sich im Beginn häufig und nicht selten auch im Laufe der späteren Entwicklung affektive Schwankungen im Sinne von Angst oder Ekstase. Die Affekte gehen immer mit einer krankhaften Ideenbildung einher. In der Angst finden sich Eigenbeziehungen, häufig auch Halluzinationen, in der Ekstase ebenfalls Trugwahrnehmungen, vor allem aber Glücksideen. Im Beginn kann die Unterscheidung von einer gutartigen Angst-Glücks-Psychose schwierig sein, doch wird in der Regel bald erkennbar, dass sich die Wahnideen und Sinnestäuschungen nicht mehr voll aus der Angst und Ekstase ableiten lassen, sondern unlogisch werden. Die körperlichen Missempfindungen, die von den Kranken der Angst-Glücks-Psychose im wesentlichen noch auf ihren abnormen Zustand zurückgeführt werden, haben bei des affektvollen Paraphrenie oft von Anfang an halluzinatorischen Charakter im Sinne äußerer Beeinflussung. Die affektiven Schwankungen sind oft mit Gereiztheit verbunden, die sich mit Vorliebe allmählich aus der Angst entwickelt. Man findet dann ein gereiztes Beziehungssyndrom, das weniger ängstliche als feindselige Umdeutungen der Umgebung enthält. In diesem Stadium kann die affektvolle Paraphrenie dauernd stehenbleiben. Auch leicht ekstatische Verstimmungen können als Dauerzustand bleiben und einen chronischen Größenwahn erzeugen. Noch häufiger schließlich ist die Affektivität nach beiden Seiten hin krankhaft verändert, so dass Verfolgungs- und Größenideen gleichzeitig bestehen. Eine Systematisierung der Wahnideen deutet sich oft an, gelegentlich ist die ausgesprochen gegeben, so dass das Bild einer Paranoia im Sinne Kraepelins entsteht.

Häufig bleibt die affektvolle Paraphrenie nicht in diesem Stadium stehen, sondern schreitet weiter fort. Das Unlogische, das sich schon im Beginn andeuten kann, tritt in der Wahnbildung immer deutlicher hervor, so dass schließlich ausgesprochen phantastische Gestaltungen entstehen mit Größenideen, Erinnerungsfälschungen, Personenverkennungen, absurden Ideen und Trugwahrnehmungen auf allen Sinnesgebieten. Selten sind alle diese Züge so Gleichmäßig ausgeprägt wie bei der systematischen Form Phantastischer Schizophrenie. Manche können fehlen, andere können abnorm stark in den Vordergrund treten. Ausschlaggebend für die Diagnose ist das Verhalten des Affekts. Während phantastische Paraphrene der systematischen Gruppen keine tiefere Bindung an ihre Wahnwelt haben, so dass sie affektlos davon erzählen, bleibt bei der affektvollen Paraphrenie immer eine affektive Verankerung der Wahnideen bestehen. Die Kranken sprechen mit Gereiztheit einerseits oder mit Stolz anderseits davon. Auch in einer absurden Ideenbildung bleibt demnach der Paranoische Affekt erhalten. Unabhängig von ihrer Wahnwelt können die affektvolle Paraphrenie dagegen stumpf werden.

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